Zwei Männer haben Ridley Scotts Karriere ein wenig befeuert: Der Regisseur Stanley Kubrick und der französische Herrscher und Feldherr „Napoleon“, dem er nun einen eigenen Film widmet (ab 23. November im Kino). Genau dies wollte Kubrick einst selbst in Angriff nehmen, konnte das Projekt aber letztlich nicht finanzieren. Kurz zuvor war das opulent ausgestattete „Waterloo“ an den Kinokassen gefloppt, woraufhin die Geldgeber bei diesem Thema deutlich vorsichtiger wurden. Kubricks englischsprachiger Drehbuchentwurf wurde inzwischen online veröffentlicht – allerdings kann man sich damit wohl ein wenig „spoilern“.
Seine Erkenntnisse über Napoleon nutzte Kubrick 1975 schließlich für den im 18. Jahrhundert spielenden Kostümfilm „Barry Lyndon“. Dieser war zwar weniger kontrovers als viele seiner anderen Werke („Uhrwerk Orange“, „2001 - Odyssee im Weltraum (Restaurierte Fassung)“), wurde damals aber eher mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Heute genießt er auch jenseits seiner bahnbrechenden Optik deutlich mehr Anerkennung. Unter anderem nennt ihn Martin Scorsese seinen Lieblingsfilm von Kubrick.
Doch schon lange zuvor suchte ein aufstrebender Regisseur Inspiration für seinen ersten Spielfilm und fand sie in „Barry Lyndon“: Bei „Die Duellisten“, der sich ausgerechnet mit dem Schicksal zweier Offiziere der napoleonischen Armee beschäftigt, orientierte sich Ridley Scott 1977 stark an Kubricks visuellem Stil. Der damit erzielte Achtungserfolg (der Film erhielt u.a. eine Auszeichnung bei den Filmfestspielen in Cannes) führte dazu, dass Scott 1979 „Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ und 1982 „Blade Runner“ inszenieren durfte und damit zum Star avancierte.
Doch die Geschichte geht noch weiter. Nach Kubricks Tod 1999 wurde Scott das Originaldrehbuch zu dessen geplantem Napoleon-Film angeboten, er lehnte jedoch ab. Nach eigenen Angaben fand er das Skript unterwältigend, unter anderem weil die Handlung komplett von der Geburt bis zum Tod des Protagonisten reicht. Ein anderer prominenter Regisseur erkannte dagegen Potenzial. Wie Steven Spielberg auf der diesjährigen Berlinale offiziell bestätigte, arbeitet er derzeit daran, Kubricks Vision in leicht abgewandelter Form doch noch Wirklichkeit werden zu lassen: Eine siebenteilige HBO-Serie soll sich nun dem Leben des wohl berühmtesten Franzosen widmen. Diese wird sich vermutlich etwas näher an den historischen Fakten orientieren, mit denen es Scott in „Napoleon“ zugunsten des Schauwerts nicht immer genau nimmt. Immerhin hat Kubrick die Geschichte einst so gründlich recherchiert, dass statt des eigentlichen Films zumindest ein Sachbuch erscheinen konnte.
Wann die vermutlich von Spielberg nur produzierte Serie bei HBO veröffentlicht wird, ist noch nicht bekannt. Daher darf man getrost davon ausgehen, dass selbst der deutlich längere Director's Cut von „Napoleon“ wesentlich früher bei Apple TV+ aufschlägt.