Den Showrunnern der Live-Action-Version von „One Piece“ dürfte so schnell nicht langweilig werden. Mit jeder neuen Staffel haben sie ein weiteres großes Hindernis zu überwinden, das vor ihnen noch niemand wirklich bezwungen hat. In der ersten Staffel galt es, den passenden Schauspieler für den ungewöhnlichen Charakter von Monkey D. Ruffy (Iñaki Godoy) zu verpflichten, die Gum-Gum-Kräfte visuell überzeugend umzusetzen und die richtige Balance zwischen Humor, Absurdität, Action und ernsten Themen zu finden. Hätten die Showrunner in einem dieser Punkte versagt, wäre diese Version von „One Piece“ wohl kaum so erfolgreich geworden.
Die zweite Staffel führt voraussichtlich im nächsten Jahr viele neue Elemente ein, die das verfügbare Budget weiter belasten werden. Ein Charakter ist dabei besonders wichtig, da er der Serie auf jeden Fall erhalten bleibt, falls weitere Staffeln bewilligt werden. Für ihn muss daher eine langfristig tragfähige Lösung gefunden werden: Tony Chopper ist ein sprechendes Rentier, das verschiedene, zum Teil menschenähnliche Formen annehmen kann und im „One Piece“-Manga und -Anime meist in niedlicher Miniaturform auf zwei Beinen herumläuft. Viele Fans zerbrechen sich deshalb schon lange den Kopf darüber, wie einer ihrer Lieblinge in der Live-Action-Version auftauchen kann, ohne dort wie ein Fremdkörper zu wirken. Bislang wurde zumindest von ihnen aber noch kein Ansatz gefunden, der restlos überzeugt.
CGI: Perfekt, aber teuer
Einige plädieren für eine ähnliche Herangehensweise wie „Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“, wo die verschiedenen Pokémon dank CGI miteinander und mit den Menschen interagieren. Am Set wurde Pikachu hier von „Honest Trailers“-Sprecher Jon Bailey verkörpert, so dass die Schauspieler nicht mit leerer Luft interagieren mussten – was dem Konzept der „One Piece“-Macher durchaus entspricht. Allerdings ist Pikachu der große Star eines immerhin 150 Millionen Dollar teuren Films, so dass ein Großteil der CGI auf ihn entfallen konnte.
Chopper muss sich die CGI dagegen unter anderem mit dem aus Gummi bestehenden Protagonisten Monkey D. Ruffy, weiteren Teufelskräftenutzern sowie fantastischen Kreaturen teilen, weshalb es sich hier zwar um die eleganteste, aber nicht um eine praktikable oder gar finanzierbare Lösung handelt. In einigen Szenen von Chopper wird sicherlich CGI zum Einsatz kommen, eine durchgehende Nutzung ist für eine Netflix-Serie aber definitiv viel zu teuer.
Puppenspiel im Mandalorian-Stil
Viele sind daher der Meinung, dass eher eine Puppe verwendet werden sollte, wobei Grogu aus „The Mandalorian“ als Vorbild dienen könnte. Schließlich ist das süße Alien-Baby nicht nur ein Anreiz, bei Disney+ einzuschalten, sondern bietet dem Konzern auch weitere Marketingmöglichkeiten. An „The Mandalorian“ lassen sich aber ebenfalls gut die potentiellen Grenzen erkennen. Grogu wird häufig getragen oder sitzt in Fahrzeugen, um die mangelnde Beweglichkeit der Puppe zu kaschieren. Außerdem ist seine Mimik eingeschränkt, was aufgrund der geringen Sprachbegabung hier weniger ins Gewicht fällt. Chopper hingegen drückt seine Emotionen stark über das Gesicht aus, redet gerne und läuft oft selbstständig durch die Gegend.
Grogu in „The Mandalorian“ (Bild: Disney)
Nachwuchstalente
Klingt eher nach einem Schauspieler im Kostüm? Die Standardgestalt des noch recht jugendlich-naiven Chopper ist gerade einmal rund 70 cm groß, weshalb eigentlich fast nur ein Kind in Frage kommt. In Fankreisen wird in diesem Zusammenhang gerne auf die Fantasy-Serie „Sweet Tooth“ (ebenfalls auf Netflix) verwiesen, in der Christian Convery recht überzeugend den Hirsch-Mensch-Hybriden Gus spielt. Diese Serie endet allerdings nach der dritten Staffel, da die Kinderdarsteller sonst aus ihren Rollen herauswachsen würden. Fans der Live-Action-Version von „One Piece“ haben Christian Convery übrigens schon kennen gelernt: In der sechsten Episode spielt er den jungen Koch Sanji, der Schiffbruch erleidet und mit seinem späteren Mentor auf einer abgelegenen Insel überleben muss.
Theoretisch wäre es natürlich ebenfalls denkbar, einen kleinwüchsigen Schauspieler in ein Kostüm zu stecken, um nicht alle paar Staffeln einen Ersatz für den erwachsen gewordenen Kinderdarsteller suchen zu müssen. In diesem Fall müsste man allerdings die Stimme des Schauspielers synchronisieren und sein Gesicht durch Schminke oder eine Maske drastisch „jugendlicher“ gestalten.
Einen dritten Ansatz versucht ein experimentierfreudiger Social-Media-Nutzer, der unter den Pseudonymen overcash3rd und JCO3 bis vor kurzem kontinuierlich über seine Fortschritte berichtete. Auf Knien schlüpft er in sein noch nicht fertiggestelltes Chopper-Kostüm und ahmt die Verhaltensweisen der Figur teilweise überzeugend nach. Dabei zeigt sich allerdings deutlich das große Problem: Bisherige Versuche, sein Gesicht stärker an die Figur anzupassen, haben seine Videos eher weiter in Richtung Parodie verschoben.
„Mensch“ statt Mini-Rentier?
Natürlich gibt es auch eine vermeintlich „einfache“ Lösung. Chopper hat eine Gestalt in der Größe eines normalen Menschen und ähnelt dabei eher einem Yeti, so dass er von fast jedem Schauspieler in einem Ganzkörperkostüm verkörpert werden könnte. Allerdings ginge ein großer Teil des Charmes der Figur verloren, wenn sie üblicherweise so herumlaufen würde. Außerdem müssten einige Aspekte des Mangas stark angepasst werden, da z.B. das ausgesetzte Kopfgeld nur für die Miniaturform funktioniert.
Ziemlich sicher ist nur eines: Unabhängig von der gewählten Methode wird der Aufschrei von einiger One Piece-Fans nicht ausbleiben, da die von ihnen präferierte Version von Chopper nicht umgesetzt wurde. Schauspieler können aber selbst bei ihnen noch viel herausreißen, wie das Beispiel der Fischmenschen zeigt. Als Arlong zum ersten Mal im Trailer zu sehen war, waren viele von seinem Aussehen und seiner Größe enttäuscht. McKinley Belcher III verlieh dem großen Gegenspieler der ersten Staffel jedoch eine derartige Präsenz, dass die Kritik schnell nachließ.