I'm Thinking of Ending Things (2020)
Original-Titel: I'm Thinking of Ending ThingsDer Maestro des ambivalenten Kopfkinos meldet sich fanfarisch zurück: Charlie Kaufmans „I'm Thinking of Ending Things“ ist das bisher mit Abstand abstrakteste Werk des Regisseurs.
Die Handlung von I'm Thinking of Ending Things
Wirklich lange hält ihre Beziehung mit Jake (Jesse Plemons) noch gar nicht an. Doch ihrer Zweifel an dem gemeinsamen Leben mit ihrem Freund zum Trotz, entschließt sich eine junge Frau (Jessie Buckley)
dazu, gemeinsam mit ihm die Farm seiner Eltern zu besuchen. Als ein
Schneesturm wütet und eine sichere Rückfahrt somit unmöglich erscheinen
lässt, muss das junge Paar zwangsläufig länger auf der Farm verweilen.
Doch je mehr Zeit die junge Frau in dem Haus und mit Jakes Eltern (bizarr: Toni Collette und David Thewlis)
verbringt, desto unsicherer wirkt die Welt um sie herum. Langsam aber
stetig beginnt sie, die Personen und Objekte um sie herum infrage zu
stellen - bis sie schließlich ihr eigenes Leben anzweifelt...
Kritik zu I'm Thinking of Ending Things
„Jake hat mir schon so viel von euch erzählt!“ - „Und du bist trotzdem hergekommen?“
Charlie Kaufman war noch nie besonders zugänglich. Bei seinen bisherigen Skripten, so beispielsweise „Being John Malkovich“ oder „Vergiss mein nicht“ mit Jim Carrey,
ging es dem begnadeten Künstler stets darum, seine Zuschauer zu
fordern. Leichte Kost stand definitiv noch nie auf Kaufmans Speiseplan.
Trotzdem boten seine bisherigen Arbeiten immer ausreichend viele
Geraden, um trotz der so andersartigen Denkweise einem
Mainstream-Publikum zu gefallen. Mit „I'm Thinking of Ending Things“,
seiner erst dritten Regiearbeit überhaupt, überschreitet der Autor und
Filmemacher nun diese bisher so fein abgesteckte Grenze und verfällt dem
Abstrakten und Unerklärlichen vollends.
Unsere Protagonistin hat keinen Namen - oder besser gesagt: jeden Namen
dieser Welt. Ihr Freund Jake hingegen bleibt Jake, war auch schon immer
Jake und wird es auf ewig sein. Zwischendrin und nebenan verschwimmen
die Grenzen jedoch, Zeit wird sicht- und dehnbar, lässt Veränderungen zu
und dreht sich bisweilen gar rückwärts. Wie Kaufman diesen steten
Verfall der menschlichen Psyche abbildet, wirkt dabei sagenhaft
künstlerisch und philosophisch lebensverneinend. Verpasste Gelegenheiten
werden uns und unserer Heldin, fantastisch gespielt von Jessie Buckley („Wild Rose“, „Judy“), da ebenso bildhaft vor Augen geführt wie Erinnerungsfetzen, Gedankenspiele und die menschliche Vorstellungskraft.
Selbst aufmerksam aufgeschlossene Zuschauer dürften nach einmaliger
Sichtung von „I'm Thinking of Ending Things“ nicht gänzlich zufrieden
mit der eigenen Auffassungsgabe sein. So serviert uns Charlie Kaufman
hier ein Werk, das zum mehrmaligen Genuss verführt. Nur dann kann die
dicht trübe Suppe aus Motiven, Inhalten und Ideen im Ansatz greifbar
werden. Unwirklich anbiedernde Wellness für die geschundene Seele, die
seit Monaten auf anspruchsvolle Netflix-Flics warten musste.